Max Herrmann
Kurt Wolff Verlag • Leipzig
Bücherei „Der jüngste Tag“ Band 49
Gedruckt bei Dietsch & Brückner in Weimar
Erkenntnis ist ein Wald von Schnee um meine Stirn.
Ich stehe still. Tatkraft zerbricht unter der Last.
Zermalmter Zweig. Bin ich für immer ungebetner Gast
und muß ein Leben lang von fremder Tür zu fremder Türe irrn?
Im Sonnenaufgang stirbt mein Stern. Ein See
von blauer Seele gibt sich einem Berg verkrümmten Dunkels hin.
Ich weine selbstgefälliges Mitleid. Ängste mich nach einem Sinn,
der leuchtend leitet durch den endlos aufgetürmten Wald von Schnee.
Ich halte meine Hände unbewußt wie zum Gebet
für einen fremden Mann, für eine fremde Frau.
Ich zwinge mich zur Lust . . . zum Ernst . . . und ich verblasse grau
ein wesenloser Schatten, der von seinem lang schon toten Herrn in wesenloser Zwietracht geht . . .
Denn Liebe wird Verleumdung. Zweikampf prallt aus Glück.
Kein Leichtsinn singt Verlorenes zurück.
Dies starb: Frommsein, voll Heiterkeit, in allem ohne Sünde wider dich und mich.
Jeder fühlt bei jedem Schritt im Herzen der einen unvergeßlichen Sekunde Messerstich.
In die große Stadt mochte Gott nicht mit mir gehen:
er hat mich bis an die Grenze gebracht; am Kreuz mit dem goldbeschriebenen Stein,
das ihm mein Vater auf unserm Felde weihte, blieb er plötzlich stehen,
gab mir noch ein Lied seiner Augen zum Geleite, schwand ins Geriesel der Silberpappel und ließ mich
allein. — — —
Aber hier ist immer ein Flackern auf Tennisplätzen,
kommt immer abends aus Gartenbühnen der Stimmen Sturz;
Hunde (ach mein sehr geliebter Wolf daheim!) nicht mehr als einer Tapete Fetzen
unbeachtet vorbeigeweht, und jedes Bild und Zeichen so herzzerreißend kurz!
Willst du dich einem hingeben, steigt vom andern
schon der Schein herauf und leuchtet und blitzt — und zerstiebt . . .
Tausend Gesichter hat meine Stube, immer entblößt sich eine neue Scham, und ich muß ewig wandern,
o warum verließ mich Gott, der die Dinge deutlich machte, daß er jede Geste mit ihrer eignen Güte
nahm und festhält und unverlierbar liebt!
Alle Dinge tun
meinem Kopfe weh:
Klappern am Buffet
und des Ventilators Lärm-Taifun.
Wie die Zeitung schmal
ist und allzu klein:
wär’ so gern allein
hinter einer Larve im Lokal!
Essender Geschmatz,
Winke, mir geschickt,
wie ein Spitzel blickt,
zielen feindlich feig nach meinem Platz.
Des Klavieres Klang
und der Kellner dreist
lauernd und ein feist
böser Bürger — ach wie bin ich krank!
Gänge sind Gefahr,
Dolche stehn versteckt,
und nach Giften schmeckt
alles, und entsetzlich welkt mein Haar!
Meine Stube schreit
wie ein sterbend Kind.
Alle Dinge sind
Mörder! Und die Heimat liegt so weit!
Alles ist verspielt —
was verweil’ ich noch? —
Daß die Mutter doch
meinen armen Kopf in ihrem lieben Schoße hielt!
(Dem lieben, guten Fritz Grieger)
Ihr im Sommer leeren Dächer, Dielen,
Höfe, und ihr weißen Villen, deren
schöne Fraun und Herrn an fernen Seen
mit der Lässigkeit des Freiseins gehen;
Bühnenhäuser, ausgebrannt wie Gruben;
und ihr grün verstummten Vorstadtstuben,
wo jetzt Stieglitze Verstecken spielen;
Schulen, die in Ferien verwildern,
Staub auf Bänken, Tafeln, Kaiserbildern,
o wie lehnt ihr arm in eurer Leere,
jede stöhnt: „Wie ich Getrieb entbehre!
Wo sind meiner flinken Schwärme Füllen,
daß sie mich in lauter Wärme hüllen,
daß sie mich mit ihrem immer wachen
Atemwind zu einer Harfe machen?“
Ach, den Glocken auf den Korridoren
ist die strenge Stimme wie erfroren,
und die Geige hat Gefühl und Jung-Sein
und die Uhr ihr Augenlicht verloren,
und der Treppen frühes Auf-dem-Sprung-sein
hängt wie umgebracht und ungeboren!
O wie fühl ich eure arme Leere
tief im Herzen mit und dieser bangen
langen Weile laue Sonntags-Schwere!
Und der Barren und die Kletterstangen
und der lustige Rundlauf sind Gespenster
wie die Furcht der lautlos starren Fenster,
die zuvor wie Morgenwälder sangen,
wenn das Lineal verstohlen Takt schlug
und das Pfeifen auf dem Federkasten
einen Träumer zur beglänzten Schlacht trug . . .
Wie vergeh ich im erzwungnen Fasten
der Buffets und ungedeckten Tische,
wo die hellen Frauen rastend saßen
und mit schmalen Gesten tastend aßen,
und im Garten sterben eure Fische,
denen Fremde gutzutun vergaßen!
Wie vergeh ich mit den leeren Stühlen
der Parkette und der Logen-Lücken,
und im Staub, wie eingestürzte Brücken,
Trümmern so geblieben von Kulissen
und Maschinen jäh gehemmt wie Mühlen,
deren Rad mit Eins auf Halt gerissen!
Wie vergeh ich mit den Sofakissen
und den Vasen und dem Aschenbecher
hinter den geschlossnen Jalousien —
wann wird wieder heimlich an gewissen
Sonntagnachmittagen Schal und Fächer
bei euch sein und jemand auf euch knien,
wann Beschwörung immer schwüler, wilder
und verwirrter Zärtlichkeit Geraun
rinnen über Spiegel, Buch und Bilder
und euch wieder in das Leben baun?
Wie vergeh ich grau in eurem Graun!
Aber ihr seid nur für kurze Zeit
leichthin weggelegt und fast vergessen,
nur für Wochen sachte eingeschneit,
ihr habt Pflicht und Werk besessen,
und es wird euch immer wieder werden,
wenn mit weichen Wiederkehr-Geberden
sich Willkommenkränze wehend winden
und die ausgeruhten, muntern Füße
euren Fliesen flinkre Tänze finden,
und die alten guten Morgengrüße
und die alten guten Schluß-Choräle
wieder Glied an Glied zur Kette binden.
Wie beneid’ ich eure lauten Säle!
Denn ich bin ein ganzes banges Leben
hilflos leergelassen und verschüttet,
keiner Seele darf ich Antwort geben,
keinem Lied im gleichen Echo schweben,
keine müde Schwester betten, keiner
Dürstenden den Krug zum Munde heben;
niemand, wär’ er noch so wüst zerrüttet,
der vor meinem Haus um Obdach bittet,
niemand, der mich „lieben Lehrer“ nennt!
Ungenützt verkümmern meine Gaben,
weder Sommer darf, noch Herbst ich haben,
und wie junges, grünes Gras verbrennt,
geh’ ich ungeerntet aus als einer,
der die eignen Kinder nicht erkennt.
Mein Herz ist leergebrannt. — Den Herbstwind treibt
trostlose Sehnsucht durch die welken Wege. —
Jetzt weiß ich, daß mir auch kein Dunkel bleibt,
wohin zu ewigem Schlaf mein Haupt ich lege.
Ich höre meinen Gott nicht mehr: er hebt
aus seinem Wald kein Wort zu mir hernieder.
Mein Herz ist leergebrannt. Der Herbstwind gräbt
mit hohlen Händen in sein Grab sich wieder.
Wozu wird mir noch Tag an Tag getan?
Was glotzt der Nächte gläserne Pagode?
Mein Herz ist leergebrannt. Und Charons Kahn
trägt mich durch welkes Laub zu wachem Tode.
Die Mutter schilt mich ohne Grund — ich wehre mich — wir zanken —
wie kannst du wissen, was ich heimlich für und für gelitten
und immer wieder durchgelitten hab’ . . . ich möchte um Verzeihung bitten
für jeden Schlag, den du mir gabst, und dir für jede Härte danken!
Weißt du denn, wie das ist, wenn in einsamer Nacht
ich wach sein muß und irgendein Tier vor mir flieht,
wenn man im Spiegel sich selbst wie entzaubert sieht
in roher Nacktheit, maskenlos ungeschlacht?
Ich möchte dir so gern, so gern! stets etwas Schönes schenken,
und hab’ doch immer Angst vor deinem hilflos herben Staunen:
Du hieltest es erbittert, oh! für eine von meinen erbarmungslosen Launen
und weintest heimlich — aber ich muß „Martyrblume! Schwester!“ denken . . .
Und — Gott ist krumm! — ich muß dich immer wieder kränken!
Mein Leben ist aus deinem Glück und Gram
ein Kreuz von süßem und von bittrem Holze;
Entbehrung noch, der Fleck auf meinem Stolze,
sei gut, weil sie aus deinem Kelche kam.
Der Gang im Schnee; in Büchern wie in kalten,
verlassnen Korridoren stumm zu stehn;
oder wenn um die Stirne die Gestalten
des eignen Schöpfersturms gespenstisch wehn:
holt sich von dir Bestätigung und Stimme
und weint und lacht sich reif an deiner Brust,
denn dein war alles, eh es mir bewußt
und wichtig ward: der Fluß, in dem ich schwimme,
umflüsterte dein Haar. Ich rann wie Sand
ganz weiß aus deiner spielgewölbten Hand,
und wie ich selber mich im Spiel versinne,
fließt Ernst und Lust in deine Hand zurück,
und alles wird, was immer ich beginne,
zu deinem Grame und zu deinem Glück.
(In ehrfürchtiger Zuneigung Else Lasker-Schüler gewidmet)
Mitternacht ladet zu Gast die Gelähmten,
hat für die Blinden Früchte und Wein;
die sich des Leids vor der Sonne schämten,
hüllt sie behutsam in Mondenschein.
Fiebernde kühlt die Milch ihrer Sterne,
Stotternde singen mit ihrem Wind,
aus dem Geröll der verfallnen Zisterne
hebt die Verlorne ihr aussätzig Kind.
Bucklige, die sich mit Eifersucht grämten,
finden den Sesam, Götter zu sein —
Die sich des Leids vor der Sonne schämten,
gehn durch den Mond in den Himmel hinein.
Und der Taube, im Rauschen der Sterne,
lächelt, weil Hymnen im Herzen ihm sind.
Aus dem Geröll der verfallnen Zisterne
hebt die Verlorne ihr aussätzig Kind.
Daß aus den blutenden Wachtfeuer-Bächen
eine Hand seine Wunden berührt.
Stummgeborene glühn von Gesprächen,
in das Pathos der Wolken entführt.
Flüchtige Schwalbe die Hand des Gelähmten,
Blick des Blinden im spiegelnden Wein:
die sich des Leids vor der Sonne schämten,
gehn durch den Mond in den Himmel hinein.
Bettler, wo kehrtest du ein, mit dem ich einst sprach,
der seines Lebens Pein wie Brot mit mir brach?
Deine Stimme fiel hart, wund, wie ein Stein ins Gras,
ich fühlte mich schuldig und schenkte dir was.
Du logst mich an, aber dein Blick bat: Ich kann ja nicht anders, verzeih!
Und dein ins Joch gezwängtes Rückgrat sprach dich von allem frei.
Dann schrittest du weiter, das Haupt verklärt von Weh und Hohn;
über dir sangen die Vögel im Laub: Das ist mein lieber Sohn!
Manchmal bange mit trostlosen Träumen allein
ruf ich dich lange: Bettler du, liebe Lüge, wo kehrtest du ein?
Was hab’ ich noch mit euch zu tun:
mit dir, du Frau, mit dir, du Mann;
der ich mich selbst nicht trösten kann,
vergrämt und grau
muß fremd in fremdem Bette ruhn.
Wie bang ich dann verloren bin
in fremdem Zug zu fremder Zeit
und ohne Sinn getragen hin
von jeder Heimat weit, so weit —
kein Haus hält still, kein Waldrand will
den Weg zurück Gefährte sein,
und Sterne stehn auf Bergen stumm —
ich aber muß, vor Angst ganz klein,
in einen fremden Raum hinein;
der wächst wie Dornen rings herum.
Und bin mit keinem Ding vereint,
so schlaflos fremd in fremdem Bette
und noch den eignen Füßen feind,
und warte, daß mich Gott errette . . .
Die Wagen rollen immerzu
hin durch mein Herz, die ganze Nacht,
auf falschem Gleis zu falscher Ruh,
und bang am Wagenfenster wacht,
der sich verirrte — Bruder du
im gleichen Bann,
daß nichts, daß nichts ihn trösten kann,
verängstet fremd in fremdem Bett
und schlummerlos als wie geschnürt
auf das verhaßte Henkers-Brett,
von dem kein Flügel ihn entführt —
Groß Tore drohn. Spitz schielt ein Licht
mit bösem Auge unerlöst.
Der Morgen wie ein Grab aufbricht,
in das ein fremder Tod mich stößt.
Wir wollen uns immer die Hände reichen
über Patina-Grün und Lichter-Flug,
doch unsrer ehernen Zungen Zeichen
(Wo ist die Stille, die einst uns trug?)
haben sich nie vereint,
immer war irgendein Feind
zwischen uns: Räderspeichen,
Autohupen, Reklamen, ein Stadtbahnzug!
Wir starren, verdorrte Bäume, in Schwüle
(Manchmal schwebt uns ein Luftschiff nah . . .)
dürstend nach der Sterne Kühle
und der Wolken Gloria.
Rauch erdrosselt weh
unser: Kyrie!
und wie Henkerstühle
stehn Plätze; Drähte sind wie Mördernetze da.
Über uns kommen Nachtmanöver, Kanonen,
wir möchten ausschlagen wie auf dem Wall
junge Pferde, aber wir müssen uns schonen
und stehen immer wie im Stall.
Goldner Kreuze Last
liegt auf uns verhaßt.
Wo unsre Brüder wohnen,
wissen wir nicht. In Scherben zerschellt unsrer einsamen Stimmen Schall . . .
Unsre Leiber sinken verloren, erbleichen
bei Patina-Grün und Lichter-Flug.
Wir liegen wie einbalsamierte Leichen,
ewiger Krieg tausend Wunden uns schlug.
Sind nie vereint,
immer trennt uns ein Feind,
daß wir uns nie erreichen —
Wo ist die Stille, die einst uns trug . . . und ertrug?
Ich muß mich wieder in dies Glashaus bannen,
an das kein Echo und kein Lockruf pocht,
wo Träume, trostlos wie erfrorne Tannen,
sich ducken um ein bald verdämmernd Docht.
Ein Abend ist vertan . . . ein Tag zerschlagen . . .
vernichtet Liebe viel und wie erstickt
in Gittern, wo der Nachtigallen Schlagen
verstummt und unstet die Gazelle blickt.
Und draußen ist vielleicht der Witwer Wald,
der neben meinem Lied am Morgen lief,
den weiten Weg zu seinem Grab gegangen.
Und draußen kniet vielleicht in Knechtsgestalt
der Strahlende, den meine Sehnsucht rief,
sich hin, den Todesstreich jetzt zu empfangen.
(Einem sehr geliebten Dichter)
Und gewiß, wenn Kleinmut mich zersplittert,
nur ein Wort von dir mir Wimpel wird,
wenn der Trambahnzug auf Brücken zittert,
daß ich mich an Fremde wie verirrt
schmiege und erwarte hilflos Zeichen
einer Freundschaft, die nicht kommen kann,
blüht aus Gesten, die den deinen gleichen,
alle Labsal unsrer Liebe dann.
Häuserschatten schweben schonungsvoller,
wenn in Dämmerung mich mein Schicksal fängt,
allerwegen in des Irrwahns toller
Glücksjagd meine Not zu deiner drängt.
Wenn ich, aus mir selbst geworfen, stürme,
überholt mich deines Himmels Chor,
und aus diesen fremden hohen Türmen
reißt mich eine Flut zu dir empor.
(Der unerschütterlichen Geradheit und aufrechten Bereitschaft Franz Pfemferts dankbarst zugedacht)
Werd’ ich mich noch einmal durch alles Bittre durchbeißen,
nahe den Alpen der Tat fliegen durch Gluten von Glück,
gütig durch Gärten gehn und Blutenden Heiland heißen,
Neid aus den Augen nehmen und vom zitternden Nacken Gebück?
Werd’ ich noch einmal mein Ringen ins Reine reißen,
Rad eurer Rede sein und vom Starren der Steine ein Stück,
stummen Dunkels ein Busch und eine Welle vom Weißen,
und die Tücke der Not zwingen in Tränen zurück?
Werd’ ich noch einmal über das Morden Meister
von Mund zu Mund in aller Gedächtnisse Bund,
wird mein Belastetes lächelnd wieder sich lehnen
an ein Geländer von goldener Güte, die rund
göttlich Umarmung ufert um wunder-wahrmachende Geister? —
Oder bleib ich auf fremder Spur kreisend ein sinnloses Sehnen . . .
Vater, bleibe über deinem Sohne
und erlöse mich in deinem Schlaf,
eh ich alt an deiner Arbeit frohne,
fruchtlos bin wie du, vom gleichen Hohne
durch die Welt getrieben, der dich traf.
Vater, segne meinen Weg ins Weite,
daß er deine Knechtschaft segnen kann!
Gib mir durch die Lande das Geleite,
daß ich Sanftmut säend dir zur Seite
sühne, was in deinem Gram begann.
Vater, fahre fort mit mir zu reden
von der Rache, die du dir verschwiegst,
daß du endlich jauchzend über jeden
Gegner deiner schamverschwiegnen Fehden
in dem offnen Feld der Güte siegst.
Vater, laß mein Werk sich furchtlos breiten
über jeden Bruder unsrer Brust:
Vater, wenn wir sanften Sinnes schreiten
in dem großen Reigen der Befreiten,
hat dein Sterben seinen Stern gewußt!
Vater, sieh: dann schlichtet sich in schöne
Friedlichkeit dein mühevoller Pfad . . .
Frühlingswind im Wald verklärter Töne,
Vater, wache über deine Söhne
und erlöse dich in unsrer Tat!
Keine Finsternis, kein Schlummer euch ganz verschlingt:
einer Geliebten Verstummen die weißen Sterne euch bringt.
Schüttelt die Kissen und schöpft in den Morgenkrug
aus dem himmlischen Bronn kühles Licht euch genug.
Geht mit Zauberworten weiche Wand sanft entlang,
pflückt die blauen Monde aus dem Maskenschrank.
In ihrem Schweigen wird der Vogel Herzeleid
heimatlich wie im Gezweige grüner Müdigkeit.
Was den Tag euch taub macht, was euren Abend bestiehlt,
segnet euch, wenn unterm Laubdach Gottes ihr Psalmen spielt.
Schweigen mit dir: das ist ein schönes Schwingen
von Engelsfittichen und Gottes Kleid
und süß, unsagbar sanftes Geigenklingen
verweht von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Schweigen mit dir: das ist verschwistert Schweifen
auf weißen Wegen und geliebtem Pfad
und Fühlen, wie sich Blut zu Blute reifen
und ranken will aus segensreicher Saat.
Schweigen mit dir: das ist der Schwalben Schwirren
um abendliche Türme sonnensatt
und Wonnig-Wissen, wenn wir uns verirren,
uns blüht gemeinsam doch die Ruhestatt.
Schweigen mit dir: das ist aus Schwachsein Schwellen
zu immer größrer Fülle, Form und Frucht,
ist Wärme von Kaminen, Hut in hellen,
verstohlnen Stuben, Bad in blauer Bucht.
Schweigen mit dir: so sicher singt das Sehnen
von Seele sich zu Seele wunderbar —
ich weiß mein Haupt in deinem Schoße lehnen
und deine Hände streicheln hold mein Haar!
Wie eines armen Schächers Nacken
vor dem verfluchten Beil des Henkers friert,
das schrecklich nah und immer näher rückt,
daß er in schlaflos schlimme Nächte stiert
und hört im Traum, schrill, seine Knochen knacken,
und geht durch den Gefängnishof verzerrt, gebückt:
so ängstet mich die Stunde, da ich von dir scheiden muß
und ganz allein durch fremde Straßen streifen soll
ins Schreckhaft-Leere nach deinen Händen greifen soll,
und recht verlassen Sehnsucht leiden muß — — —
Du mußt mir deine Sterne schicken
und deine Gedanken mir zu Gerten geben,
die mein zages, verzärteltes Zögern züchtigen,
du mußt mich mit Träumen von dir zu tüchtigen
Taten tauglich machen und mit deinen Blicken,
die mir kommen, wenn meine Augen sich zum Himmel heben,
trösten, daß die Freude auf meine Wiederkehr
und auf das neue Glück mit dir mich nicht verzweifeln läßt,
wenn ich in fremder Kammer tränenübernäßt
nachts zum bestirnten Firmamente bete —
(denn ich bin allzu sehr
verschüchtert, wenn ich feindliche Triften betrete.)
Dann aber macht mich deine Liebe entschlossen
und hält mein Herz hoch und meinen Mut! — — —
Und plötzlich ist die bange Zeit verflossen,
und ich bin wieder bei dir,
und du wiegst den heimgekehrten Odysseus auf deinem Blut.
Noch sind die Blumen von dir
frisch wie am Tag,
da deine Hand abschieds-zitternd in meiner Hand lag,
und dein Herz tat sich auf wie ein Brevier!
Der Zug stand fahrtbereit,
aus manchem Fenster fiel ein gleichgültiger Blick —
Meine Augen sagten zu dir: „Erschrick
nicht vor unserer Einsamkeit!“
Dann zerriß uns das Signal wie ein Schlag —
Nachts: du schläfst einsam, ich wache einsam am Tisch —
und deine Blumen sind frisch
wie am Abschiedstag.
Dies ist mein schwerstes Kreuz und schwerer noch als Armut, Krankheit, Dunkelsein zu
tragen:
wenn plötzlich, eben als mein Herz noch voller Übermut und Zärtlichkeiten sang,
aus meinem Munde oder meinen Augen Geißeln gehn, die unser Innigstes zerschlagen,
und lassen unsern Abend leerer noch als trunkner Jähzorn oder ungelenker Zank.
Aber ich weiß doch nicht und werde es mein Leben lang nicht wissen,
woher die Tränen kamen und worin ich schuldig war,
und ist auch meine Ruhe zur Nacht von Tränen verschwommen, von Reue zerrissen,
und mein Gehirn wie unfruchtbare Erde und verdorrtes Laub mein Haar,
in dem Stürme, vor denen ich hilflos bin, Stürme ohne Sinn und Ursprung wühlen,
und bleibt nur Hoffen, daß du mir verzeihst, wie Sonne im April
über Entsagung als der heilige Geist, der alle Fieber kühlen
und alle Wunden heilen und sich an jede Lende legen will —
Spür’ ich doch stets, und bis zum Tod nach Jahren noch,
wie jetzt in dieser Schuld, die ich nicht weiß, ganze Saaten von Glücklichsein versanken,
wie ich mit einemmal verlassen und belastet mit unsichtbarem Joch
nichts hab’, als die Geduld mehr, es zu leiden ohne feig aufsässige Gedanken,
es hinzunehmen wie alles, was aus deiner Nähe sich zu mir herniederneigt,
als mir zu Recht bestimmt, und selbst wenn Unrecht mir geschähe, so zu schweigen und ohne
Wanken
mich zu erfüllen, daß ich auf die eigne Zagheit zeigen kann, wie Jesus in Gethsemane auf seine
ohne Schuld zitternden Hände zeigt.
Wir wandeln wieder lässig über Land,
ich und mein Hund. Die ersten Blätter bleichen.
Der Abendwind kommt kühl wie deine Hand
und will die Striemen aus der Stirn mir streichen.
Und plötzlich rührt es mich, zu meinem Hund
verinnigt Zärtliches von dir zu sagen,
wie eine Blumenurne wird mein Mund
von Liebesgöttern an dein Herz getragen.
Der Mond steigt langsam aus dem Wolkenwald,
an Sternen tastet sich die Nacht, die blinde,
stöhnend herauf. Ich bete, daß ich bald
mein Lied auf deinen Lippen wiederfinde.
Wo deine Füße wandeln, blüht Vergißmeinnicht,
du meiner Beete stille Gärtnerin.
Du öffnest deine Hand und wirfst die weißen Wellen
wippender Sätze über meinen Geist.
— Gedanken gehn in Waffen . . . Glied an Glied . . .
Im Mond sind Mühlen, winterlich verwaist,
so braun wie ausgebrannt, umzäunt von Nervenlicht.
— Schläfst du? Träumst du von mir? Entstellen
dein Atmen Ängste? Fühlst du, wie ich bei dir bin?
Stumm singt die Nacht ihr namenloses Lied.
Der Mann:
Ich weiß den Winter noch, mit den erstarrten
hungernden Händen durch den Schnee im Traum
empor sich grabend, und in einem Garten
uns zwei erwachend, hier, am blauen Saum
unendlich aufgetaner Farbigkeit —
und schon die Tage zählend, die zum Turm
mit neuen Opferflammen himmelweit
aufzüngelten im ewigen Koppensturm —
wie Maulwurf stoßend aufwärts nach dem Licht,
was ewige Lampe der Erinnerung strahlt,
schon Frühling, der das göttliche Gedicht
der bunten Matten um die Bauden malt . . .
so träumte ich —
Die Frau:
Und nun es wahr geworden
und Regenbogen überm Weg uns ist,
fühl’ ich nur dies: wie fern du von mir bist!
Oft lauerst du, als möchtest du mich morden
um irgendeiner unbewußten Schuld
und nicht gewollter alter Sünde willen;
dann rührt dich nicht die Demut, die Geduld,
zu der sich meines Blutes Stürme stillen . . .
Der Mann:
Verzeih! . . ich weiß, du mußt viel Nachsicht haben:
es quälten dort mich, in der Niederung,
zuviele Schatten, die sich kleiner gaben,
als ihnen gut war, und Zergliederung
der eignen Schwäche stets aufwühlend wie
Selbstmord hat mich so sehr betäubt, erblindet,
daß meine Freude keinen Pfad mehr findet,
auf dem sie fußfrei schreitet —
Die Frau:
Du, ich schrie,
als ich dein Antlitz sah, dort an der Bahn,
so überwältigt von geheimem Wahn,
vom Zwiespalt war es als wie eines Henkers
Gesicht! — ich schrie trostlos in mich hinein
und betete nur dieses: tot zu sein
vor deinem Tod! —
Der Mann:
Ich bin vor dir sehr klein!
Ich wollte mit der Fülle des Beschenkers,
des Früchtereichenden, des Spendenden,
mit goldnen Festen, niemals endenden,
dir nahn — ich wollte diese hohen Tage
zu einem Reigen reiner Lust dir machen,
verheimlichen, wie ich mich selbst zernage
im Leid, und wollte lachen, über Trümmern lachen! —
Die Frau:
Du — dieser Ton zerschneidet mir die Sinne!
Glaubst du noch immer: opfern hieße lieben?
Der Mann:
Jetzt werd’ ich erst mit Mörderreue inne,
wie sehr mein Mut vor dir zurückgeblieben
und zahm geworden ist; ich war ein Hund,
den nur sein Hunger auf die Fährte hetzte,
ich jagte, jagte mir die Füße wund —
Du bist der Erste und du bist der Letzte;
du hast mich nie getäuscht; oft war es schwer,
dir gut zu sein — was wäre denn die Güte,
wenn sie uns mühelos im Gärtchen blühte —
ohne dich wäre mein Erleben leer!
Der Mann:
— Deute mir dies: ich wandle auf den Höhen,
die ich ersehnte wie ein Hungerbrot,
wandle mit dir allein, und spüre Not
und Nichtigkeit, und ist mir nun, als flöhen
mich alle Engel dieser grünen Gründe
und aller ihrer Felsen In-Sich-Ruhn
und ihrer Teiche Paradies, als stünde
auf heiligem Boden ich mit staubigen Schuhn
unwürdig, anzubeten!
Die Frau:
Was ist Sünde?
Wir tun ja doch nur, was wir müssen tun!
Und du hast immer so an dir gelitten,
daß tausendfach dir längst vergeben ist.
Der Mann:
Vielleicht war meine Einsamkeit nur List,
das zu erschleichen, was sich die erstritten,
die Freundschaft über sich ergehen ließen
und nicht verzweifelten, wenn Liebe schlug . . .
Die Frau:
. . . und die im ersten Bilde Helden hießen,
im letzten: töricht vor dem kleinsten Trug.
Du reifst und reifst mit dieser Berge Reifen,
ich schrumpfe immer widriger zum Zwerg.
Die Frau:
Denk’ an dein Werk, an nichts als an dein Werk,
so wirst du dich als Siegenden begreifen!
Der Mann:
Ich schäme mich der Unrast, die mich knechtet:
nicht eine Stunde leb’ ich meinem Stern!
Ich setzte meinen Sklaven mir zum Herrn
und hab’ mich selbst aus Eigennutz entrechtet.
Wie schäm’ ich mich vor dieser Dinge Größe,
wie wünschte ich, ein Baum, ein Fels zu sein:
Zwecklosigkeit des Gottes ist im Stein,
im Zweige mehr als in der Menschenblöße,
die immer nach dem Mantel jagen muß
und immer, in ein kleinlich Ziel gezäunt,
zum Finstern Feind sagt und zum Frohen Freund!
Die Frau:
Du quälst dich so . . . ich weiß nicht . . . dieser Kuß
auf deine wehzerquälte Stirn, das Letzte,
was ich zu geben habe . . . ich bin arm . . .
ein Obdach nur . . . ich weiß wie dich der Schwarm
der bösen Ängste durch das Dickicht hetzte . . .
o hetzte er dich doch an meine Brust!
ich will dich hüten und ich will dich halten,
und wenn du wieder einsam wandern mußt,
will ich zu Haus sein und die Hände falten,
für dich zu beten, will gern einsam bleiben
und nur mit deiner Einsamkeit vermählt!
Ich habe dich so namenlos gequält . . .
Die Frau:
Wie du dich selbst gequält hast!
Der Mann:
Sieh, es treiben
die Nebel durch den schmalen Klippenspalt . . .
die Wälder singen . . . Orgelfugen rauschen . . .
Die Frau:
Es rauscht mein Blut! — Hier will ich stehn und lauschen,
ob unserm Weh kein Echo widerhallt . . .
Gott, sei uns gut!
Der Mann:
Versuche nicht die Tiefen,
wenn du mit mir bist, denn an mir ist Fluch,
seit Kain!
Die Frau (mutig):
Wie meine Mütter einst dich riefen,
rufe ich dich: laß jenen durch ein Buch,
durch eine schemenhafte Pflicht . . . um kleiner
Hingebung willen nicht zuschanden werden!
Gott, sei uns gut! — — oder du hast auf Erden
nicht einen Spiegel mehr! . . .
Der Mann (mit ihr knieend):
Gott! mach’ uns reiner
als Morgenröte über Gipfelwiesen!
Laß deine Liebe sich mit ihrer Liebe
verschwistern! — Gott! Ich Zwerg vor ewig Riesen! . . .
Und daß mir nur ein Traum von ihren bliebe!
Nimm ihm die Demut, nimm ihm alles Bange
und mach’ ihn so mit meinem Leben reich! — —
Ich sterbe gern . . .
Der Mann:
Wir sterben Wang’ an Wange . . .
Stimme aus den Wolken:
Und werdet Ihm mit Stein und Sternen gleich.
(Mit brüderlichen Grüßen zu Franz Jung)
„Gestellet für uns selbsten zum Ingedenk und Aufrichtung in dieser verwirreten, elenden und trübseligen Zeit . . .“
Jakob Böhme
De triplici vita hominis.
In fremder Straßen fremde Nacht verschlagen
erzittre ich mit dem verirrten Kinde,
das fremde Menschen auf die Festtribüne tragen,
und der Trompeter bläst, daß es die Mutter finde.
Die Grillen zirpten und die Sterne sangen,
und Gott ging neben mir und war so gut,
und lächelnd spielt’ ich mit den goldnen Spangen
an seinem Hut.
Und fremde Schatten silberten sich seiden
aus einem großen fremden Mond,
mein Herz sprang brennend durch die dunklen Weiden
und sang: O kommt!
Kommt wieder Lampen meiner Stadt und Hallen
und hebt mein Haupt
in weiße Kissen, die sich wallend ballen,
und Lieder, die von Gottes Abschied fallen
in einen Traum, der an ihn glaubt.
Witwe wurde ich der Wunder weiland,
welche Gottes Bräutigam verhieß,
und ich warf mich vom verzückten Heiland,
der die Kindlein zu sich kommen ließ.
Was entlief ich, ehe der Empfängnis
überschwenglich Rauschen mich befiel,
zirkelte Mariens Herbstbedrängnis
in ein fruchtlos spottend Frühlingsspiel?
Und verfrühte, was mir frommen konnte:
wachen Abend, den der Sommer segnet;
goldnen Mittag, den September sonnte — — —
Und von nichts als Eitelkeit umflossen,
bin ich allzu herb in mir verschlossen,
daß mein Herz vergißt, wem es begegnet.
Heile Hunger, Giftqual und Begierde
und verschütte jede Leidenschaft,
jeden Zank, der nicht zu Gottes Zierde
seine Schiedlichkeit zusammenrafft!
Aber was, noch mit sich selber streitend,
seine Fackel nach den Wolken wirft,
Schild und Schild zur Sonnenbrücke breitend,
über die der Fuß gen Eden schlürft:
sei geschürt zum ungeheuren Brande,
der in einer Flamme sich verzehrt
über Feindes-Lande, Freundes-Lande!
Und die Stadt, die sich vor Gott verstockt,
weil sie ihn noch gütiger begehrt,
gilt ihm mehr, als die ihn lächelnd lockt.
Herr, kannst du nicht die Dinge strafen,
sie widerstreben deinem Sohn:
der Kissen Eigensinn läßt ihn nicht schlafen
und in Verzweiflung treibt das Telephon.
Die Lampe macht sich launenhaft zum Feinde,
mit dem ein ungewisser Krieg beginnt,
und eine ganze drohende Gemeinde
hat Hinterhälte, wo sie Aufruhr sinnt.
Die Dunkelheit ist stumm im Bunde
mit jeder Ecke, jeder Wand,
es höhnt die Uhr mit falscher Stunde
und Rundes rinnt aus meiner Hand.
Und viel ist störrisch in Verstecken,
die Riegel geben mir nicht nach —
Herr, soll mich noch ein Stein beflecken,
ein hohles Holz mit solcher Schmach?
Oder: sind dir die Dinge näher
und mehr dein Sohn, als ich es bin,
und stelltest du sie mir als Späher
um meine Leidenschaften hin?
Damit sie mich vor dir erproben
und Spiegel meiner Schwachheit sind —
wie wird mein Bitten, wird mein Toben
an ihnen ein vertaner Wind!
Daß ich an ihnen Demut lerne
und die Geduld, die bei dir thront,
damit ein Hauch von deinem Sterne
mit mir im gleichen Raume wohnt.
Damit ich ohne Überheben
behüte, was mir Nachbar bleibt,
und weiß: der Dinge Dämmern und mein Leben
sind deiner Einsamkeit gleich einverleibt.
Ich nahm den sehr verhaßten Pfad, wo zwischen
modernden Teichen dich ein Hohlweg fängt;
wo Dunst von Unrat und verwesten Fischen
als Wolke über deinem Atem hängt;
wo immer Nacht ist; wo sich die Gedanken
wie Kröten ducken in das düstre Moor
und deine Wünsche sich mit widrig kranken,
geifernden Gliedern klammern an das Rohr.
Dort suchte ich das Letzte zu erschleichen,
ob es mir irgend noch beschieden sei,
in deiner frechsten Fratze zu erbleichen,
Mißton zu spein aus deinem Eulenschrei.
Ich suche dich in deiner letzten Öde,
in deiner Scham, in der dich keiner liebt,
ich aber suche noch die glücklos blöde
Grimasse, die dein Angesicht verschiebt,
und ich will lieben deine scheelste Schande,
der ich in deinem Stolz nicht leuchten darf,
und den sein Schicksal aus dem Morgenlande
erträumter Heimat als Enterbten warf.
Leicht ist es, dich im lichten Laub zu finden, —
ich will dich, wo du heillos häßlich bist,
feindselig und entstellt, mit gierig blinden,
tappenden Gesten abgefeimter List
Nachstellungen ersinnst und Hinterhälte
und nicht das eigne Königtum mehr kennst,
wo eine künstlich hingehaltne Kälte
die Flamme leugnet, drin du qualvoll brennst.
Ich suche dich in deinem schlimmsten Flecken,
dort, wo du wertlos und voll Ekel sinkst,
will ich für meine Demut dich entdecken,
daß du mit mir aus einem Scherben trinkst,
die schale Fäulnis trinkst, und doch derselben
lechzenden Durstbegierde einverleibt
dein Mund und meiner, und in schmutzig gelben
Lehmfurchen meine Spur an deiner bleibt;
mit dir ein Schade sein und ein Gebrechen,
die letzte Gnade, die ich mir erbat,
mit dir die lästerlichsten Zoten sprechen,
mit dir der Helfer widerlichster Tat:
doch irgendwie in deine Schlucht zu schlüpfen
und teilzuhaben, sei es, wo zuletzt
du dich verlierst, mich innig zu verknüpfen
dem Netz, in das der gleiche Haß uns hetzt,
ist Gnade vor der einsam blauen Lichtung,
wo Reinheit Rache wird am fernen Mond,
und noch mit dir Verrat und Selbstvernichtung
ist mehr als Ewigkeit, die einsam thront.
Veracht’ ich mich, um Gott mehr zu gefallen?
Mach’ ich ein Fest aus abgeschriebnen Federn?
Wein’ ich mich sacht in Schlaf . . . und werden Zedern
entrücken mich in endlos grüne Hallen?
Fühl’ ich, wie du mich trägst? Schöpft aus der Quelle
die Hand, die mich behütete, ein Leben,
das nie vergeht? Und kehrt nicht zaghaft eben
der Zweifler in das Dunkel der Kapelle?
Soll meinen Schlummer fremder Atem kräuseln,
der Irrtum dessen, dem ich mich entäußre
und dienen will, wenn mich Erkenntnis stäupt?
Du tust mich in dein Rechnen, und betäubt
erduld’ ich es, und, ob mein Stolz sich sträubt,
ist nur mein Herz noch Uhrwerk im Gehäuse.
Brand in Inbrunst himmlischer Essenz
brach aus seines Hingangs Heiligkeiten,
Strahl des ersten Blütenlichts im Lenz
und der Schatten schräg an seinem Schreiten.
Und das Feuer unter seines Fußes
hingewölbter Schwinge ward Figur,
und der Mondschein des Mariengrußes
spiegelte die Perlen auf der Schnur.
Da er zögert im Triumph der Zeichen,
lockt verfänglich Satans letzte Lust:
sich dem Gärtner Gottes zu vergleichen.
Und er strauchelt fast . . . und bleibt gebückt . . .
bis sein Gang, sein Lächeln, seiner Brust
tiefe Melodie ihn weit entrückt.
Seine stillen Augen sind Kristalle,
die des Tages dunkles Kreuz bewahren
aufgehängt in seinen hellen Haaren
schaukelt klingend unsers Abends Halle . . .
Aber als ein Sturm mit den Gestirnen
unsanft spielt, birst seines wolkenbleichen
Angesichtes Schild und züngelt Zeichen,
die bedrohn, und Wunder, welche zürnen.
Aus der Brust, die plötzlich aufgebrochen
rot Vulkan ist, sprengt das Herz Verbluten
unter den entbrannten Dornenruten
seiner schmerzhaft steilgebäumten Knochen.
Doch zwei Hände bleiben, die erblindet
auf dem grünen Hirtenstabe rasten,
daß zur Nacht, die zärtlich sie betasten,
alles wieder seinen Frieden findet.